Die Enser-Zugmaschinen aus Fürth (recherchiert von A. Jost, Bonn)
August Enser hatte am 23.5.1923 in Fürth eine Kfz-Reparaturwerkstatt gegründet. Ab 1935 wurde die Firma Enser offizieller Vertreter von Hanomag PKWs. Später kam die Wartung und Reparatur von Hanomag Zugmaschinen (SS20, ST20, ST55, ST100) dazu. Während der Kriegszeit mußte auch für die Wehrmacht gearbeitet werden. Nach 1945 lag alles in Trümmern. Ein Neuanfang war nötig. Hanomag PKWs konnten nicht mehr verkauft werden, da das Programm eingestellt wurde, aber der Reparaturbetrieb lief weiter. Zur Kundschaft von August Enser gehörten viele Firmen mit den kleinen Zugmaschinen und einem oder mehreren 6t bis 7t Anhängern (z.B. Kohlenhändler oder kleine Spediteure). In der Wirtschaft ging es bergauf. Der Warentransport fand mit Lastwagen und Anhängern statt und es wurde von Hand be- und entladen. Einen Lastwagen lange warten zu lassen war unwirtschaftlich. So verwundert es nicht, dass viele alte Straßenzugmaschinen mit einem oder mehreren Anhängern ihren Dienst taten. An Wechselpritsche oder Gabelstapler war noch nicht zu denken. Der kleine Helfer kam aber in die Jahre und war verschlissen. Ein Bedarf an Neufahrzeugen war vorhanden. Helmut Enser, der Sohn des Firmengründers, trug den Wunsch seiner Kunden an neuen Straßenzugmaschinen an Hanomag heran, genau genommen an Carl Pollich. Bei Hanomag entschied man sich gegen eine Neuauflage von Strassenzugmaschinen – aus wirtschaftlichen Gründen. Im Gespräch fragte nun Helmut Enser, ob er denn nicht selbst eine Straßenzugmaschine bauen könne, auf der Basis des neuen Schnellasterwagens L28 mit 1.5t und 50 PS. Carl Pollich riet davon ab. Aber die Geschäftsidee war geboren. Heute bekäme man für so eine Idee bestimmt noch eine Förderung. Der erste Prototyp wurde 1958 auf eigene Rechnung gebaut.
Das Fahrzeug wurde einem Kunden vorgeführt und zur Probefahrt überlassen. Er war begeistert und hat das Fahrzeug gekauft . Trotz anfänglicher Bedenken war man bei Hanomag auch begeistert und gewährte volle Werksgarantie !
Es folgten bis zum 12.7.1960 weitere 63 Haubenfahrzeuge. > Die Preisliste der L28-Zugmaschnie <
Nachdem Hanomag den Frontlenker entwickelt hatte, wurde ab1960 der Kurier mit 50 PS als Basisfahrzeug verwendet.
Der erste verließ am 29.10.1960 die Werkhalle in der Oststraße 110. Es wurden 88 Stück mit 50 PS gebaut. > Die Preisliste der 50PS – Zugmaschine Typ Kurier <
Die Teile lieferte Hanomag aus Hannover. Der Rahmen wurde vom Typ Garant genommen, der vom Kurier war zu zierlich. Die Fahrgestelle wurden in Fürth gekürzt und mit der Traverse für die Anhängerkupplung (Rockinger oder Ringfeder) ausgestattet. Eine Rangierkupplung wurde auch angebaut, man bemerke im Kühlergrill! Diese Idee hat sich Helmut Enser patentieren lassen. Die Deutsche Bundespost war damals einer der größten Abnehmer :
Helmut Enser (links) und August Enser bei der Montage des Hydraulik-Druckluftventils für Anhängerbremse (Einleitungssystem).
Die Blechwanne und Pritsche wurden in eigener Regie hergestellt. Unter der Pritsche lagen vier massive Eisenstangen als Ballast (ca 280 kg). Auf Wunsch wurden auch 8 Stück hineingelegt. Der Kurier-Enser hat einen Achabstand von 2,16 m. Die Hinterachse war vom Garant und wurde werksseitig mit verstärktem Lager und kleinerer Übersetzung ausgeliefert. Wegen des kurzen Kardangelenks wurden kleine Keile (von der Magirus Vorderachse) unter das Federpaket gelegt damit das Kardangelenk etwas höher kam. Teilweise wurde ein Distanzring unter die Felge gelegt, damit die Bremstrommel mehr Luft bekam.
Das Getriebe S5-33 war von ZF und serienmäßig.mit Fernschaltung (seitliches Gestänge) für Frontlenker oder mit Schaltknüppel im Getriebedeckel für die Haubenfahrzeuge geliefert worden. Das Getriebe wurde auch im Markant verwendet. (Wurde das Getriebe auch im Magirus, Henschel oder im Setra-Bus eingebaut?).
Beim Frontlenker fand der Schaltknüppel gerade noch Platz zwischen Fahrersitz und Motorabdeckung und war mit seinem seperaten Gehäuse auf den Rahmen geschraubt.
Die Kabine war anfangs vom Kurier genommen und später wurde auch die vom Garant eingesetzt.
Auf Wunsch wurde ein Zusatztank angebaut (vom Garant). Damit nur ein Kraftstoffanzeiger (im Aussentank) nötig war, wurde der Innentank mit einem Ventil versehen und der Schlauch über die Dieselrückleitung in den Aussentank geführt. Beim Volltanken schliessen nicht vergessen!
Vom Fahrkomfort waren die Fahrer sehr angetan, da das Fahrzeug keine Nickbewegung machte, trotz des kurzen Radstands. So was schlägt sonst auf den Magen. Zu der Zeit wurde eben keiner verwöhnt.
Ab dem 2.2.1963 wurde die 60 PS Version ausgeliefert (109 Stück bis zum 19.6.67). > Die Preisliste der 60PS – Zugmaschine <
Eine Allrad-Zugmaschine wurde 1965 vorgestellt, auf der Basis des AL28 mit Einfach- und Doppelkabine.
Bei der Doppelkabine blieb kaum noch etwas von der Pritsche übrig. Die Post kaufte 11 Stück.
Sie wurden von den Sendetechnikern gebraucht, um Anhänger mit Mobilsendeanlagen auf Berge zu ziehen,
wenn ein Sender ausgefallen war.
Mit der Geschäftsidee hatte sich Helmut Enser seine kleine Nische erobert. Er war Geschäftsmann und musste auch neue Kunden werben um sein Produkt zu verkaufen. So wurde ganz Deutschland bereist um sein Fahrzeug vorzustellen.In Frage kamen Kohlehändler, Bauunternemer, Spediteure, grosse Industriebetriebe mit innerbetrieblichen Transporten, Schausteller, Brauereien.
So fuhr er auch zu dem Bauunternehmen Ungeheuer aus Freiburg. Die Zugmaschine sollte zeigen, dass sie einen Tieflader mit einer Raupe die Serpentienenstrecke im Höllental hinauf ziehen kann. Das steilste Stück hatte 10% Steigung nach Auskunft der Strassenbaubehörde. Das war hart an der Grenze. Im Bewustsein immer kleine Reserven eingebaut zu haben, konnte die Vorführung beginnen. Es ging Kurve um Kurve dem Ziel entgegen und er hatte nicht zuviel versprochen. Es wurden keine Geschwindigkeistsrekorde gebrochen, aber er war schneller als das Universal Motor Gerät. Der Kunde kaufte.
Enser-Zugmaschine ca. 1974 bei der BEWAG in Berlin
Ab1967 kam die F-Reihe auf den Markt.Vom 8.11.67 bis 31.7.71 wurden weitere 83 Stück gebaut mit 65 PS und mit 80 PS.
Ende1970 übernahm die Daimler-Benz AG die Hanomag-Henschel Fahrzeugwerke GmbH zu 100%.
Die Zusammenarbeit mit dem Nachfolger war schwierig. Helmut Enser führte diese nicht weiter fort.
Durch Zufall entdeckte er, daß Fiat mit Nutzfahrzeugen von 1t – 24t auf den deutschen Markt drängte.
So wurde der Fiat Typ 662 N3 zum Basis-Fahrzeug. Vom 22.8.72 bis 20.7.73 verliessen 8 Stück die Werkhalle.
Das letzte Fahrzeug war ein Fiat Typ 110 NC mit 122 PS und wurde am 20.7.1973 ausgeliefert.
Es ließ sich nicht leugnen, dass das Transportwesen sich geändert hatte und der Bedarf an mittelschweren Straßenzugmaschinen gering war. So konnte man schließlich auch zu keinem vernünftigen Preis mehr eine Umrüstung machen, selbst für den treusten Kunden wurden die Maschinen zu teuer. Damit war der Bau Strassenzugmaschinen mit insgesamt 362 Stück zu Ende.
Nunmehr als Autohaus feierte die Firma Enser am 23.5.1998 das 75-jährige Bestehen.
Der Druck der Automobilindustrie auf seine Händler war enorm, so dass sich
Helmut Enser mit Wehmut entschloss das Autohaus am 31.12.2000 zu schliessen.
In Anbetracht der geringen Gesamtproduktionszahl sind relativ viele Enser-Zugmaschinen bis heute erhalten geblieben; hier eine kleine Auswahl davon im Bild.